Mit dieser sehr leistungsfähigen Software, erläutert Zorn, könnten infizierte Telefone und ihre Besitzer:innen sehr umfassend überwacht und kontrolliert werden. Nicht nur könnten damit der Standort ermittelt und praktisch alle Nachrichten, Fotos, Passwörter, Medien und Terminkalender auf dem Handy ausgelesen und auch verschlüsselte Anrufe mitgehört werden, es sei auch möglich, damit ferngesteuert das Mikrofon und die Kamera des Mobiltelefons einzuschalten und zur Überwachung zu nutzen. Und dies alles mit einer „zero click-Technologie“, also ohne, dass der Benutzer selbst, zum Beispiel durch Anklicken eines zugeschickten Links, dies ermöglicht, sondern völlig unbemerkt unter Ausnutzung von Sicherheitslücken auf dem Handy.
Auch wenn die Firma NSO behauptet, diese Software nur zur Bekämpfung von Kriminellen und Terrorist:innen entwickelt zu haben und nur bestimmten Ländern zur Verfügung zu stellen, konnte das internationale Recherche-Team, in Zusammenarbeit mit IT-Spezialisten von Amnesty International und der Universität Toronto, nachweisen, dass mit dieser Software Hunderte von Menschenrechtsaktivist:innen, Journalist:innen und Anwält:innen auf fünf Kontinenten, ebenso wie Politiker:innen, darunter auch ehemalige oder amtierende Staats- und Regierungschefs, ausspioniert wurden. Und selbstverständlich können damit Menschen weltweit überwacht werden, unabhängig davon, in welchem Land sie sich gerade befinden. Diese Software ermöglicht es, autoritären Regierungen und Diktaturen, auch aus Ländern, die gar nicht in der Lage sind, eine solche Technologie selbst zu entwickeln, Oppositionspolitiker:innen zu überwachen und massive Verletzungen von Menschenrechten und Pressefreiheit zu begehen.
„Deshalb ist der Handel mit dieser Technologie dem Waffenhandel vergleichbar und muss viel, viel strenger international reglementiert und vor allem auch kontrolliert werden.“, fordert Zorn. Zurecht spreche der deutsche Journalist Georg Mascolo hier von einer „Privatisierung von Geheimdienstgeschäften“. Dies sei keine abstrakte Gefahr, so Zorn, sondern bereits Realität mit gravierenden Folgen, bis hin zur Inhaftierung und Ermordung von überwachten Personen. Bei der nationalen Sicherheit und der Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus sei der Grat zwischen Überwachung und Unterdrückung sehr schmal und die Balance von Sicherheit und Freiheit besonders schwierig, meint Zorn. „Dies können und dürfen wir nicht privaten Akteuren und kommerziellen Unternehmen überlassen!“, so seine Forderung.
Laut Zorn, der im September für die SPD als Direktkandidat im Wahlkreis 182 (Frankfurt I) kandidiert, zeige dieses Beispiel wieder einmal wie dringend notwendig mehr digitaler Sachverstand im Bundestag und Bundesregierung sei, um international verbindliche Regeln zur Bekämpfung des Missbrauchs einer praktisch grenzenlosen Überwachungstechnologie zu schaffen.
Armand Zorn begleitete als Unternehmensberater Firmen bei der digitalen Transformation und der Einhaltung von Compliance-Regeln. Inzwischen arbeitet er in der Entwicklungszusammenarbeit und ist dort für die Einführung und Nutzung neuer Technologien zur Erreichung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise zuständig. Erst vor kurzem kritisierte er scharf die geplante Einführung der so genannten „Quellen-Telekommunikationsüberwachung“ - im Volksmund auch „Staatstrojaner“ genannt -, die der Bundestag bei der Novellierung des Bundespolizeigesetzes im Frühjahr beschlossen hatte, welche aber anschließend im Bundesrat abgelehnt wurde